
Schon lange hatte ich mich auf dieses Manufakturporträt gefreut! Denn meine große Begeisterung für Handwerkskunst hatte mich motiviert, eimal nicht über Handwerk in Bezug auf Interior Design oder Mode zu schreiben, sondern den neuen Stern am Wiener Bäckerhimmel, Georg Öfferl, in seiner Dampfbäckerei zu besuchen und ihm über die Schulter zu schauen. Ich fand es faszinierend wie es ihm und einigen anderen „Starbäckern“ in jüngster Zeit gelungen war, Brot einen neuen Stellenwert und vor allem dank traditionellem Sauerteig Geschmack und Bekömmlichkeit zu verleihen! Nachdem ich zuletzt als Kind in der Backstube meiner Tante mit einen Backofen in Berührung gekommen war, staunte ich nicht schlecht zu sehen, mit welcher Fingergeschicklichkeit und mit welchen Tricks Striezel perfekt geflochten werden oder wie eine Handsemmel entsteht. Letztere durfte ich selbst probieren und hatte richtig Spaß dabei. Kommt ihr mit auf einen Besuch in die Öfferl Dampfbäckerei?
Ein Grundnahrungsmittel als neues Luxusprodukt?
Um ehrlich zu sein kann ich mich nicht mehr an den genauen Zeitpunkt erinnern als ich heuer das erste Mal den Namen Öfferl in Zusammenhang mit hochwertigem Brot gehört habe. Wie auch sicherlich einige von euch habe ich die letzten Jahre – teils mit Staunen – den Erfolg von Joseph Brot in Wien miterlebt und mich selbst gewundert, wie man für ein Grundnahrungsmittel „soviel Geld“ verlangen kann. Die einen erklärten es mit dem „wiederentdeckten“ Sauerteig, welcher sowohl geschmacklich als auch von der Verdauung her bekömmlicher sein soll. Die anderen mit den natürlichen Zutaten, der handwerklichen Verarbeitung und der knusprigen Kruste. Die dritten wiederum mit den hochwertigeren Papiersackerln und den witzigen Joseph Brot Sprüchen drauf.
Unser Erstaunen war vielleicht umso größer, da es sich dabei nicht um einen g’standenen Wiener Bäcker, sondern um einen aus dem Waldviertel gehandelt hat. Ihm war es auf bewundernswerte Weise gelungen, die Großstadt Wien „zu erobern“ und die Wiener/Innen einerseits auf das Thema Qualitätsbrot, Tradition und Handwerk zu sensibilisieren, andererseits als richtige Fans und treue Kunden zu gewinnen. Nach den Bistros, die langsam folgten sowie der ersten Erfolgswelle meinten manche sogar der Gragger sei in Wahrheit Wiens Nr 1. Auch andere Bäckernamen fielen ehe es sich langsam herumsprach, dass ein junges, dynamisches und sehr innovatives Bäcker-Duo aus dem Weinviertel eigentlich die wahren Stars am Bäckerhimmel seien. Die Rede war von Georg Öfferl und seinem Cousin Lukas Uhl, beide Quereinsteiger, aber mittlerweile gelernte Bäcker und umtriebig in der Backstube von Georgs Mama. Das Brot mit Charakter war geboren!
Marco Simonis: „Für mich war bei der Wahl des Öfferl Brotes entscheidend: die hohe Grundqualität seiner Brote, sein Ansatz sehr traditionell mit “alten Maschinen“ und ursprünglich zu arbeiten, sowie die enge Zusammenarbeit mit den nahen umliegenden Lieferanten.“
Nachdem ich gerne besondere Lokale und Insidertipps in Wien porträtiere, stieß ich die letzten Monate immer öfters auf den Namen Öfferl. Sei es bei Marco Simonis in der Dominikaner Bastei, sei es bei Neueröffnungen wie der Alma Gastrothèque oder dem Glashaus, sei es im Formdepot. Selbst in diesem interaktiven Showroom für hochwertigstes Interior Design und Handwerk kredenzte man mir beim Interview mit Überzeugung Öfferl Brot zum Lunch. Meine Neugierde war also geweckt. Schon die Website war von der Botschaft her etwas anders als die anderen. Im Vordergrund standen Brot, ein Grundnahrungsmittel, sowie traditionelles Bäckerhandwerk, aber so dermaßen in Szene gesetzt als wären beide etwas ganz Besonderes. Und das sind sie auch!
Heinz Glatzl (Formdepot): „Ich kaufe jeden Samstag am Kutschkermarkt ein und entdeckte dabei das Öfferl Brot bei Irene Pöhl. Der gute Geschmack, das tolle Produkt, die per Hand-Herstellung sowie der persönliche Kontakt – all das ist für mich wahre Handwerkskunst“!
Schließlich bat ich auf Eigeninitiative hin um ein Interview und fuhr zusammen mit meinem Fotografenkollegen Stefan ins Weinviertel. Schon auf der Hinfahrt – selbst Google hatte Schwierigkeiten uns richtig zu lotsen – wunderten wir uns auf der kurvenreiche Landstraße kurz vor dem zuvor nie gehörten Ort Gaubitsch, wie denn täglich morgens auf selbiger Straße das Öfferl Brot seinen Weg nach Wien finden würde? Bei Hausnummer 15 angekommen packten mich abermals Zweifel, ob wir an der richtigen Adresse wären. Ein alter Greisslerladen mit der Aufschrift Öfferl Brot ließ zwar vermuten, dass hier das berühmte Brot zu kaufen wäre, aber ob sich hier tatsächlich DIE neue Bäckerei von Georg und Lukas befände? Unsere Zweifel wurden rasch und das in jeder Hinsicht ausgeräumt. Lukas erzählte mit später bei der persönlichen und sehr lustigen Führung durch die Bäckerei, ihm und Georg sei es zu Beginn wichtiger gewesen, zuerst in eine größere und modernere Backstube zu investieren als in den Verkaufsraum. Der Umbau der Greisslerei würde aber folgen.
Neue Öfferl Erlebnisbäckerei
Die Erfolgsgeschichte begann wie ein modernes Märchen vor nur wenigen Jahren. Obwohl es ihm seine Oma stets ausgeredet hatte, bewogen Georg diverse familiäre wie auch berufliche Umstände damals in die Bäckerei seiner Mutter einzusteigen und diese wirtschaftlich wieder zu schwarzen Zahlen zu führen. Als begeisterter Sportler versuchte er bald in einem kleinen Winkel der Bäckerei, oft zur Belustigung der Gesellen und langjährigen Angestellten sein eigenes Vollkornbrot zu mischen, wieder zu verwerfen, neu zu mischen und eines Tages persönlich in Wien erfolgreich zu verkaufen. Während Mamas Backstube täglich 60 bis 80 Laib produzierte, schaffte Georg es gerade mal auf 12. Als er allerdings mit leeren Händen abends aus Wien zurückkehrte, weil er alle Laib Brot verkauft hatte, war die Neugierde der Bäckergesellen geweckt und man begann, Georg zu unterstützen. In 2016 eröffnete er schließlich die neue, große Dampfofenbäckerei, welche allerdings ob der steigenden Nachfrage aus Wien schon nach drei Monaten zu klein zu werden drohte und man heute bereits an weitere Vergrößerungen denkt.
Vergrößert wird aber im nächsten Schritt erstmals in Wien selbst: in der Wollzeile 31 soll in 2019 eine eigene Schaubackstube mit Café und Gastronomie entstehen. Zu kaufen gibt es primär das köstliche Öfferl Brot in vielen Varianten sowie ganz neu nun auch Öfferl Röstkaffee. Genossen werden kann beides vom Frühstück über einen Mittagsimbiss bis hin zu einem Abendbrot. Genaueres wollten aber beide zum Gastrokonzept noch nicht verraten. Das Design soll allerdings – gemäß Lukas‘ Erzählungen – sehr clean gestaltet sein, im Mittelpunkt stehen ausschließlich das Handwerk und die Brotbackkunst.
Traditionelles Handwerk und Öfferl Brotmanufaktur
Nachdem ich – wie ihr mittlerweile wißt – Handwerkskunst liebe, war ich bei meinem Besuch vor allem an den handwerklichen Schritten und Geheimnissen interessiert, welche Öfferl Brot heutzutage auszeichnen und zu „Brot mit Charakter“ machen. Gearbeitet wird stets Hand in Hand mit der Natur, dem eigentlichen Öfferl Geheimnis:
- zugekauft werden ausschließlich bio(dynamische) Rohstoffe vom Getreide über den Honig bis hin zu den Bio-Nüssen von Produzenten aus der nächsten Umgebung (der Begriff „bio“ ist heute der Standard, Demeter hingegen Georgs oberstes Ziel)
- die Kunst liegt in der Reduktion sowie im Minimalismus, weder Spritzmittel noch künstliche Zusatzstoffe kommen zum Einsatz
- verarbeitet wird per Hand, geformt mit sehr viel Fingerspitzengefühl und laut Georg mit großer Leidenschaft und Liebe für den Bäckerberuf; daher hat jedes Brot und jede Kruste schließlich auch seine eigene Form und Individualität
- Basis jeder Brotsorte ist eine seit 24 Jahren wohl gehegte Sauerteigkultur
- die finale knusprige Kruste entsteht durch 2-maliges Backen im hochwertigen Dampfbackofen und hält somit das Brot länger frisch
- viel Zeit und Ruhe vor und nach dem Backen sorgen für die Qualität, Bekömmlichkeit und Verträglichkeit des Brotes
Das Öfferl Brotsortiment
Durch die Wiederverwendung von Sauerteig als Basis aller Brot- und Gebäcksorten ist es Georg zudem gelungen, viele wichtige Handgriffe des Bäckerberufes auch in den Tag (nicht nur in die Nacht) zu verlegen. Denn durch die vielen Ruhezeiten vor und nach dem Backen braucht es schon mehrere Tage bis das Brot letztendlich die Backstube verläßt und ausgeliefert werden kann. Den letzten „Schliff“ sowie die knusprige Kruste bekommt das Brot schließlich durch Andi, die langjährige Seele der Öfferl Backstube. Denn er kümmert sich ab 23 Uhr nachts ums zweite Aufbacken des Brotes. Um 1 Uhr morgens stoßen dann – je nach Auftragslage – bis zu 5 weitere Mitarbeiter dazu, um das Brot mit Logobändchen als Qualitätssiegel zu umwickeln und für die Auslieferung nach Wien zu verpacken.



Anschließend macht tatsächlich jeden Morgen das berühmte Öfferl Brot seinen langen Weg durchs kurvenreiche Weinviertel hinunter in die Großstadt Wien, wo es auf Märkten, in der Spitzengastronomie oder in Feinkostläden verkauft wird. Irgendwie authentisch. Und so soll es auch bleiben. An eine weitere (Groß)Backstube in der Nähe Wiens, um den Lieferweg zu verkürzen, ist derzeit nicht gedacht. Das Sortiment umfasst übrigens nicht nur das beliebte Madame Crousto. Zum Öfferl Charakterbrot-Sortiment gehören längst andere spezielle Sorten aus Roggen, Dinkel oder Weizen und haben nicht minder schön klingende Namen. So gibt es neben der Madame die kleine Mademoiselle Crousto, sogar einen Robert de Vino, ein Bio-Roggenbrot namens Rainer Roggen oder ein feines Bio-Dinkelbrot, genannt Rotraud von Oberkulm.
Christina Nasr (Alma): „Wir hatten Öfferl Brot schon vor der Eröffnung der Alma Gastrothèque gekannt und geliebt. Es kommt französischem Landbrot sehr ähnlich, hat einen klaren Geschmack und ist die idealtypische Unterlage für unsere Brote. Die handverlesenen Zutaten passen perfekt zu unserer Philosophie“!
Mein Fazit
Auch für mich ist dieses Brot etwas Besonderes, aber nur für besondere Anlässe wie beispielsweise zum Frühstück am Wochenende oder beim Besuch von Gästen. Ich habe dank meines Blicks in Georgs Backstube gesehen, dass in der Familie Öfferl Handwerk und Tradition wahrlich hoch gelebt werden und habe großen Respekt vor diesem Mut und Einsatz, das Bäckerhandwerk zu verändern. Ganz besonders in digitalen Zeiten!
Öfferl Dampfbäckerei, Gaubitsch 15, 2154 Gaubitsch
Ich danke der Familie Öfferl für die Chance, ihre Backstube persönlich kennenlernen zu dürfen und ihre wertvolle Zeit bei unserem Besuch. Copyrights Fotos © Stefan Baumann und Viennissima Lifestyle.
Sehr interessanter Beitrag, da ich selbst immer wieder auf der Suche nach „echtem“ Brot bin. Das schnell hochgezogene Brot aus dem Supermarkt schmeckt mir nämlich nicht wirklich und ich vertrage es auch nicht so gut. Dann habe ich irgendwann gelesen, dass viele Unverträglichkeiten mit diesem schnell hochgezogenen Industriebrot zusammenhängen! Da lohnt es sich dann schon ein paar Groschen mehr auszugeben und ein gutes, handgemachtes zu kaufen 🙂
Liebe Grüße
Dorie von http://www.thedorie.com
Vielen lieben Dank für dieses nette Feedback! In der Tat ist natürliches Sauerteigbrot (mit Liebe gemacht!) viel bekömmlicher für uns Menschen und schmeckt zudem viel besser als „Industriebrot“.
Liebe Grüße zurück,
Birgit
Wow, was für ein großartiges Bäckerhandwerk – genau so sollte es sein…danke für den herrlichen Post!!
PS: Kannst gerne mal einen Blick auf meinem Block hefexpert.wordpress.com werfen – der passt gut zu deinem topic^^
Die Welt ist wirklich klein und sehr gerne sehe ich mir deinen Blog an!
Danke für das liebe, positive Feedback!
Liebe Grüße
Lieben Dank!