
Meine Top 5 Ausstellungstipps im 1. Halbjahr 2019
Oje, ihr habt es letztes Jahr nicht geschafft, sämtliche Sonderausstellungen zu „100 Jahre Wiener Moderne“ zu besuchen und somit so manches Event zu Ehren der Maler Gustav Klimt und Egon Schiele, des Architekten Otto Wagner oder des Universalkünstlers Koloman Moser versäumt? Macht nichts! Die Ausstellungen zum Jubiläum gehen Gott sei Dank in die Verlängerung. Zudem könnt ihr auch heuer noch die berühmten Wandgemälde Klimts im imposanten Treppenhaus des Kunsthistorischen Museums bewundern, selbst wenn die eigens dafür konstruierte „Klimt Brücke“ nun nicht mehr existiert. Auch das Leopold Museum führt nach dem großen Jubiläumsjahr weiterhin die größte Sammlung an Schieles Werken und hat seine Dauerausstellung komplett neu kuratiert. Inklusive der gerade eröffneten Oskar Kokoschka Ausstellung ist es nun DAS Haus zu „Wien um 1900“ und eine perfekte Repräsentanz der Wiener Moderne. Darüber hinaus rühmen weitere Wiener Museen so manche Künstler/Innen des damaligen Wiens wie Kolo Moser oder die weiblichen Protagonisten dieser Zeit.
1.) Wien 1900. Aufbruch in die Moderne
Eine wirklich sehr allumfassende neue Dauerausstellung zur Wiener Moderne bietet seit 16. März 2019 das Leopold Museum über gleich 3 Museumsebenen und zeigt damit die Gegensätze der pulsierenden Donaumetropole um 1900 auf. Glanz und Elend, Traum und Wirklichkeit, Symbolismus und Selbstbefragung bezeichnen den existierenden Pluralismus und präsentieren Wien mit ca. 1.300 Exponaten als zentrale Quelle einer turbulenten Erneuerungsbewegung. Der Aufbruch in die Moderne fand in diversen Disziplinen statt: von der Malerei und Literatur über die Musik, das Theater, den Tanz und die Architektur bis hin zur Philosophie, der Psychologie sowie der Medizin.
Diese äußerst sehenswerte Ausstellung beginnt mit einer Ouvertüre zur Blütezeit des Wiener Historismus und spannt einen Bogen zur Gründung der Wiener Secession, welche später als Geburtsstunde der österreichischen Moderne galt. Gezeigt werden nicht nur zahlreiche Gemälde, Schriftstücke und Dokumentationen, sondern auch vielfältigste Möbelstücke der damaligen Zeit, was ich persönlich besonders spannend finde. Große Namen wie Otto Wagner, Alfred Loos, Josef Hoffmann, Koloman Moser, Hermann Bahr, Gustav Klimt, Egon Schiele, Emilie Flöge oder Oskar Kokoschka – sie alle finden innerhalb der Dauerausstellung ihre ganz persönlichen Kapiteln.
So dürfen auch bedeutende Werke des Jugendstils, Kunstobjekte, Schmuck und ganze Einrichtungen der Wiener Werkstätte wie auch die Malerei der Kriegs- und Nachkriegszeit nicht fehlen. Solltet ihr tatsächlich die Sonderausstellungen im letzten Jahr versäumt haben, so bietet euch das Leopold Museum hiermit einen perfekten Querschnitt über das Gezeigte im Jubiläumsjahr sowie viele zusätzliche und neue Aspekte. Ich war wirklich sehr begeistert!
Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien
2.) Koloman Moser Ausstellung „Universalkünstler“
Das MAK wiederum widmet derzeit dem sogenannten „Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hoffmann“ ebenfalls eine Sonderausstellung anläßlich seines 100. Todesjahres in 2018. Kolo Moser galt als einer der bedeutendsten Wegbereiter der Wiener Moderne sowie des Wiener Jugendstils. Als Universalkünstler beherrschte er die Disziplinen Malerei, Grafik, Kunstgewerbe und Interior Design genauso wie Bühnenbild und Mode. In beeindruckender Weise gelang es ihm, die Idee der Wiener Secessionisten rund um das Gesamtkunstwerk vorzuleben sowie ihre Suche nach einer neuen, modernen Formensprache in Wien um 1900 mitzugestalten. Seine Stärke waren das Arbeiten mit Stoffen, Glas und Porzellan in Kooperation mit den Wiener Werkstätten. Hierin wurzelte auch seine Zusammenarbeit mit dem Traditionsunternehmen Backhausen, welches ebenfalls in 2019 ein Firmenjubiläum zu feiern hat und bereits an einer weiteren Ausstellung arbeitet.
Berühmt wurde Koloman Moser aber vor allem für seine graphischen Arbeiten für Zeitschriften und Bücher sowie seine ersten Ideen einer Corporate Identity für Firmen und Marken. Sein visionäres Werk könnt ihr noch bis zum 22. April 2019 im Museum für angewandte Kunst besichtigen. Die über 500 Exponate aus der MAK-Sammlung respektive basierend auf (inter)nationalen Leihgaben sind thematisch in 5 Kapitel aufgeteilt und zeigen Mosers Werdegang von der Malerei zum Allround-Gestalter sowie zurück zur Malerei. Schließlich war er einer der ersten, welcher in der Idee des Gesamtkunstwerks keine Zukunft mehr sah und sich von dieser wieder distanzierte.
Mein persönlicher Tipp ist übrigens der vom MAK gestaltete Ausstellungskatalog, welcher ausschließlich auf kariertem Papier – so bezeichnend für die Wiener Werkstätten – gedruckt wurde.
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien

3.) Ausstellung „Koloman Moser und die Bühne“
Diese Mini-Ausstellung sehe ich eher als Ergänzung zur laufenden MAK Ausstellung, denn sie umfasst nur zwei Räumlichkeiten in Hinblick auf Koloman Mosers Arbeiten fürs Theater. Wirft aber einen sehr interessanten weiteren Blick auf sein Schaffen. Mit dem Ticket des Museums für angewandte Kunst (MAK) respektive des Theatermuseums bekommt ihr einen ermäßigten Eintritt für die jeweils andere Kolo Moser Ausstellung. Zudem gilt für letzteres Museum auch die Jahreskarte des KHM. Gezeigt werden seine Theaterarbeiten von der intimen Kabarettbühne bis zur großen Opernausstattung. Im Rahmen der Schau ist auch Gustav Klimts berühmtes Gemälde Nuda Veritas zu sehen.
So verantwortete Koloman Moser schon 1901 Plakat und Programmheft des neu geschaffenen Jung-Wiener Theaters zum lieben Augustin des Journalisten und Schriftstellers Felix Salten. Auch entwarf er einige neuartige Bühnendekorationen hierfür. Nach einer mehrjährigen Pause, in der Koloman Moser maßgeblich für die Wiener Werkstätte tätig war, ergab sich für ihn 1907 eine neuerliche Theaterkooperation. Sein Freund Hermann Bahr sollte für Max Reinhardts Deutsches Theater in Berlin Genoveva inszenieren. Mosers Entwürfe belebten das historische Ambiente des Stücks absichtsvoll mit secessionistischen Elementen und schafften so den Bogen zur Moderne. Spannend war für mich während der Ausstellung der Aspekt, dass Künstler wie Bahr oder Moser schon damals zur Inspiration an den Lido Venedigs fuhren, um dort erste gemeinsame Theaterprojekte zu besprechen und sich gleichzeitig am Strand zu erholen. Die Ausstellung läuft ebenfalls noch bis zum 22. April 2019.
Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien
4.) Ausstellung „Stadt der Frauen“
Diese Ausstellung des Unteren Belvedere mit dem Titel „Künstlerinnen in Wien von 1900 bis 1938“ möchte ich euch ganz besonders ans Herz legen, da diese erstmals in Vergessenheit geratene, emanzipierte Frauen präsentiert, welche sich zur damaligen Zeit – entgegen aller Widerstände – in die Kunstszene gekämpft hatten. Sie trugen mit ihren Werken entscheidend zu den Errungenschaften der Wiener Moderne bei und stellten auf Augenhöhe mit Gustav Klimt und Egon Schiele aus. Nachdem das Kunstjahr 2018 in Wien fast ausschließlich von männlichen Ausnahmekünstlern und Sonderausstellungen zu Ehren des 100. Jahrestages ihres Todes geprägt war, widmet das Belvedere Museum erfreulicherweise abermals den Frauen „eine Bühne“. Denn schon im vergangenen Jahr waren es nur das Belvedere sowie das Leopold Museum, welche auch das Werk von Emilie Flöge (mehr als nur Muse von Gustav Klimt und bedeutende Couturière in Wien) rühmten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Künstlerinnen im Kunstgeschehen Wiens fest verankert und leisteten wesentliche Beiträge zur Wiener Moderne. Mit dem Anschluß in 1938 wurden sie (oft aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln) aus der Kunstgeschichte verbannt und vergessen! In der Ausstellung „Stadt der Frauen“ zeigt das Belvedere Museum das Schaffen von rund 60 Künstlerinnen, rollt chronologisch ihre Biografien auf und dokumentiert ihren wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Wiener Moderne. Zusätzlich veranschaulichen zahlreiche Fotografien und Dokumente ihre wichtigsten Kunstschauplätze wie etwa die Wiener Secession oder die Galerie Miethke. Dies ist umso bemerkenswerter, da viele der Bilder auf Dachböden und in Art Depots gefunden wurden und nun erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zudem war damals Frauen noch der Zugang zur Akademie der bildenden Künste untersagt, einen Privatunterricht konnten sich nur wenige leisten. Zu bewundern sind bis zum 19. Mai 2019 Werke zu den Kunstrichtungen Stimmungsimpressionismus, Secessionismus, Expressionismus, Kinetismus und Neue Sachlichkeit.
Mein persönlicher Tipp: am Weltfrauentag am 8. März soll es ein besonderes Rahmenprogramm sowie freien Eintritt für alle Besucherinnen des Unteren Belvedere geben. Dazu werde ich euch aber noch zeitlich vorab informieren.
Unteres Belvedere, Rennweg 6A, 1030 Wien
5.) Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer
Vom 6. April bis 8. Juli 2019 widmet das Leopold Museum dem einst als „Oberwildling“ bezeichneten Oskar Kokoschka eine der bisher umfassendsten Retrospektiven in Wien. Mit rund 250 Exponaten, darunter Schlüsselwerke aus internationalen Sammlungen wie auch selten oder nie gezeigte Werke, beleuchtet das Museum, welches selbst über umfangreiche Bestände verfügt, Kokoschkas Oeuvre. Gezeigt werden Werke aus sämtlichen seiner Schaffensperioden und Wirkungsstätten, darunter Wien, Dresden, Prag, seiner Exilstadt London sowie schließlich Villeneuve. Kokoschkas Biografie soll einem Parallellauf durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts geglichen haben.
Er gilt nicht nur als sehr bedeutender, sondern vor allem als der langlebigste aller Protagonisten der Wiener Moderne. Denn er hatte seine Wegbegleiter allesamt überlebt. und sogar die Entstehung der Europäischen Gemeinschaft persönlich erlebt. Er verstarb erst 1980. Gefeiert als großer Expressionist (entstanden im Umfeld des Jugendstils), als Europäer aber auch als radikaler Erneuerer war er ein absolutes Multitalent als Maler, Zeichner, Druckgrafiker, Literat, Dramatiker und Theatermacher. Sein ambivalentes Verhältnis zu Österreich, aber auch seine unterschiedlichen Themen in der Malerei machten ihn zum wahrscheinlich „am schwersten faßbaren“ aller Künstler der Moderne. Daher ist es dem Leopold Museum ein großes Anliegen, sein Werk in ein anders Licht zu rücken. Dies ist ihm auch absolut gelungen!
Rechtzeitig zu Frühlingsbeginn kehrt Farbe ins Museum ein! Besonders Kokoschkas expressionistische Gemälde in den bunten Farben würde ich sofort in mein eigenes Wohnzimmer hängen! Es gibt auch eine humorvolle Anekdote am Rande der Ausstellung: eigentlich wollte das Museum unbedingt auch das von Kokoschka gemalte Porträt von Konrad Adenauer zeigen, welches damals dem Deutschen Reichsrat übergeben worden war. Leider hängt dieses derzeit in Angela Merkels Büro und „kann aufgrund von Eigenbedarf derzeit nicht verliehen werden“ . Es soll ein sehr lustiges Antwortschreiben aus Berlin gewesen sein…. Nach Beendigung der Ausstellung sollen dem Künstler in der neuen Dauerausstellung des Leopold – Wien 1900. Aufbruch in die Moderne – zwei eigene Räume gewidmet werden.
Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien
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