
Sonderausstellungen Klimt, Schiele, Wagner & Co
Das Jahr 2018 steht in Wien ganz unter dem Motto der Wiener Moderne. Anlass ist der 100. Todestag vier ihrer wichtigsten Protagonisten: Gustav Klimt, Egon Schiele, Otto Wagner und Koloman Moser. Sie waren durch ihre künstlerische Einzigartigkeit in ihrem jeweiligen Kunstgebiet Gründer und Repräsentanten des Wiener Jugendstils, der Wiener Werkstätte oder des österreichischen Expressionismus. Auch wenn ihr bis dato kein großer Klimt- oder Schiele-Fan gewesen seid, solltet ihr einige der zahlreichen Sonderausstellungen und Events gesehen haben! Ihre Werke erzielen heute fast unbezahlbare Auktionspreise und Otto Wagners Architekturprojekte der Wiener Moderne prägen noch immer das Stadtbild Wiens. Ich habe daher sämtliche Ausstellungen für euch besucht und ein „Best-of“ fürs erste Halbjahr 2018 erstellt.
Wer gesellschaftlich in Wien der Jahrhundertwende etwas auf sich hielt, ließ sich ein Haus von Josef Hoffmann bauen und einrichten, die Dame des Hauses von Gustav Klimt malen und von Emilie Flöge (Wiens Coco Chanel) salonfähig einkleiden. Zahlreiche Wiener Museen widmen daher den wichtigsten Künstlern und Kreativen des Fin de Siècle einzigartige Ausstellungen, Events und sogar ein maßgeschneidertes Theaterstück für Klimts Muse, Emile Flöge. Don’t miss the following 7 events!
1.) MAK: „Klimt’s Magic Garden“
Nicht verpassen solltet ihr diese einzigartige Idee einer digitalen Darstellung von Klimts Welt und Werk im Museum für angewandte Kunst. Übrigens verlängert bis 7. Oktober 2018! Ein von Frederick Baker mittels Virtual Reality Technik als 360° Video inszeniertes virtuelles Kunstwerk gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, nicht nur in Klimts faszinierende Werkzeichnungen, sondern auch in eine dritte Dimension einzutreten. Bühne dieser transmedialen Transformation sind die Originalskizzen Klimts aus dem MAK für das Mosaikfries im Speisezimmer des Palais Stoclet, welches von seinem Kollegen Josef Hoffmann in Brüssel erbaut wurde.
Auf diese Art und Weise ist es möglich, Teil des Kunstwerks sowie seiner Protagonisten zu werden und somit des Stoclet-Fries selbst. Für mich war dieses virtuelle Erlebnis wie das Betreten des Paradies. So schön und reell wird dieser Magic Garden dargestellt.
Frederic Baker ist sich sicher, dass Gustav Klimt die VR Technik geliebt hätte und seine Arbeit dafür ideal ist. „Immer wieder schuf er Werke für charakteristische Räume: das Burgtheater, die Aula der Universität Wien und eben das Palais Stoclet. Klimt hätte sich über den unbegrenzten Raum gefreut, den die digitale Welt der Fantasie bietet. Wie eines seiner Hauptwerke, der Beethovenfries, zeigt, waren sowohl seine inhaltliche Fantasie als auch seine visuelle Vorstellungskraft räumlich so umfassend, dass sie nicht in den traditionellen Bilderrahmen passten“.
Die Performance dauert circa 5 Minuten, inklusive der Einführung in die 3D-Brille solltet ihr in Summe 10 Minuten für eure Klimt-Reise einplanen. Am besten auf der MAK Website online einen Slot reservieren, klappt einfach und schnell!
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
2.) Belvedere: Schauspiel mit Maxi Blaha zu Ehren von Emilie Flöge
Mein absoluter Geheimtipp für Mode- und Kunstfans! 100 Jahre mußte es offenbar dauern ehe diese Ausnahmefrau (bekannt unter Klimt-Liebhabern als Muse, Wegbegleiterin und Geliebte des österreichischen Künstlers) aus dem Schatten Klimts treten durfte. Mit dem Theaterstück „Emilie Flöge. Geliebte Muse.“ huldigt das Belvedere als Inhaber der weltweit größten Klimt-Gemäldesammlung bis 4. Dezember 2018 zwei Ausnahmepersönlichkeiten der Wiener Moderne. Von der Londoner Autorin Penny Black der Schauspielerin Maxi Blaha förmlich „auf den Leib geschneidert“, verkörpert diese auf eindrucksvolle Weise die trauernde Emilie nach Bekanntwerden Klimts Tod in 1918.
In den Vordergrund tritt eine starke Persönlichkeit, welche eine wesentliche Vorreiterrolle in der späteren Emanzipierung der Frau gespielt hatte. Sie befreite – ähnlich wie zeitgleich in Paris Coco Chanel – die Frauen vom Korsett, entwarf moderne, bequeme, aber dennoch dem Adelstand angemessene Mode. War eine erfolgreiche Geschäftsfrau, Haute Couture Designerin und Modesalonbesitzerin zusammen mit ihren beiden Schwestern auf der Wiener Mariahilfer Straße und fuhr regelmäßig mit ihrem damals gelben Auto mit schwarzer Stoßstange bis nach Paris. Eine Modestadt, welche zur damaligen Zeit von Coco Chanel und Paul Poirets Entwürfen geprägt war. Dort war sie stets auf der Suche nach neuen Schnitten, Designs und Stoffen, welche sie für ihre Wiener Clientèle anpasste. Nebst der Vorliebe zu den Farben Schwarz und Weiß verbindet Emilie Flöge auch andere Parallelen mit der französischen Haute Couturière.
Den vielen Geliebten unterwarf sie ihre Liebe zu Gustav Klimt nicht. Vielmehr war ihre enge Beziehung zum Maler von einer 30-jährigen Freundschaft geprägt. Mehr sei aber nicht verraten, denn dieses wundervolle Theaterstück solltet ihr unbedingt persönlich gesehen haben. Maxi Blaha zeigt auf sehr emotionale und die Zuschauer berührende Art und Weise die Gefühlswelt der Emilie Flöge, welche sich schließlich auch um den Nachlass Gustav Klimts gekümmert hatte. Prädikat: einzigartig und sehenswert!
Zusätzlich habt ihr Gelegenheit die anläßlich des Klimt Jubiläumsjahres neu gestaltete Schausammlung des Belvedere zu besichtigen sowie „Klimts Kuss“ einen Besuch abzustatten. Auch dieser hat einen noch schöneren Platz im Museum erhalten! Never leave Vienna without a kiss!
Oberes Belvedere, Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien
3.) Leopold Museum: Wien um 1900….Koloman Moser
Bis zum 10. Juni 2018 zeigt das Leopold Museum im MQ wichtige Werke des Malers, Grafikers und Designers Kolo Moser, einer der bedeutendsten Künstler des Wiener Jugendstils um 1900. Die Ausstellung gibt einen interessanten Überblick über sein umfassendes Gesamtwerk. Als Mitbegründer der Wiener Secession repräsentierte er zusammen mit Josef Hoffmann das bekannte Design der Wiener Werkstätte, welche alle Gegenstände des täglichen Lebens in künstlerischer Form neu gestaltete.
Im Sinne dieses „Gesamtkunstwerks“ schuf Kolo Moser ganze Wohnungseinrichtungen von Möbeln über Tapeten bis hin zu Ziergegenständen und Tafelgeschirr. Das Leopold Museum zeigt nebst seinen Bildern etliche Möbelstücke und Designs im Stil der Werkstätte. Besonders beeindruckend finde ich Mosers Entwurf zum Engelsfenster für die spätere Otto Wagner Kirche am Steinhof. Wenn das Frühlingswetter es schon zuläßt, empfehle ich euch nach der Ausstellung einen Besuch des Innenhofs des Museumsquartiers, denn die berühmten Enzis sind schon aufgestellt und laden zum Verweilen ein!
Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien
4.) KHM: „Stairway to Klimt“
Im Kunsthistorischen Museum stehen noch bis 2. September 2018 Gustav Klimts Werke selbst im Mittelpunkt. Dank einer eigens entworfenen Besucherbrückenkonstruktion führt das Museum Klimt-Kunstliebhabern die Meisterwerke in der imposanten Eingangshalle bestens „vor Augen“. Somit können die beeindruckenden Wandgemälde Gustav Klimts – eingebettet in die Säulen- und Arkadenarchitektur des Treppenhauses – aus nächster Nähe bewundert und ohne Blitz fotografiert werden. Der von Gustav Klimt gemeinsam mit seinem Bruder Ernst sowie Franz Matsch geschaffene Zyklus wurde ursprünglich von Kaiser Franz Joseph I in Auftrag gegeben und stellt die Bedeutung der damaligen Stilperiode der Kunst bestens dar. Ich selbst war schon zweimal dort und konnte nicht aufhören, zu fotografieren…. wirklich atemberaubend schön!
Zusätzlich zeigt das KHM als Hommage an Klimts Schaffen sein berühmtes Gemälde „Nuda Veritas“ in der Antikensammlung Saal X. Das Bild war in einer späteren Lebensphase des Künstlers entstanden. Nach Auflösung der Künstler-Compagnie war Gustav Klimt nicht nur Gründungsmitglied der Wiener Secession, sondern einige Jahre lang auch ihr Präsident. Mit diesem Gemälde richtete er sich bewußt gegen seine Kritiker. Bei der erstmaligen Präsentation erntete er nur wütende Proteste, da der Frauenakt dem Betrachter des Gemäldes mit der „nackten Wahrheit“ entgegentrat. Tatsächlich ist die Rothaarige allerdings eine unverkennbar zeitgenössische, moderne, ungeschönte Frau, welche dem Betrachter symbolisch den Spiegel entgegenhält.
KHM, Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien
5.) Hofmobiliendepot: Wagner, Hofmann, Loos ….
…. und das Möbeldesign der Wiener Moderne. Zum 100. Todestag von Otto Wagner widmet das Hofmobiliendepot als einer der größten Möbelmuseen der Welt diesen 3 herausragenden Architekten und Mitgestaltern der Wiener Moderne bis 7. Oktober 2018 eine eigene Ausstellung. Beleuchtet werden ihre unterschiedlichen Positionen zum Wohnen und Einrichten der damaligen Zeit als Innenarchitekten und Möbeldesigner. Gezeigt teils Möbeln aus privaten Villen und Wohnungen (darunter Otto Wagners eigene Wohnung) sowie bekannter Geschäftslokale (wie die Einrichtung der K&K Hof- und Staatsdruckerei). Besondere Highlights das Speisezimmer der Journalistin Bertha Zuckerkandl sowie ein erstmals ausgestelltes, unbekanntes Herrenzimmer.
Neben den Ausstellungsstücken selbst werden auch einige renommierte Produzenten ins Rampenlicht gestellt, in welchen die Möbel damals produziert wurden wie die Unternehmen Gebrüder Thonet, Backhausen oder J. & J. Kohn. Bedeutend aber auch deren Auftraggeber und Bewohner, meist befreundete Künstler, Unternehmer und Kaufleute, deren Geschichten die Ausstellung begleiten. Persönlich finde ich es etwas schade, dass die Ausstellungstücke nur in ihrer Funktion dargestellt werden. Mit ein wenig mehr Dekorations- und Gebrauchsgegenständen wie Vasen, Geschirr oder Sitzkissen der Wiener Werkstätte würden die Möbel zu „mehr Leben erwachen“. Mein persönlicher Tipp: eine Führung an den Wochenenden!
Hofmobiliendepot, Andreasgasse 7, 1070 Wien
6.) Wien Museum: Otto Wagner
Alle Wagner-Fans sollten sich unbedingt diese Ausstellung ansehen! Ebenfalls bis 7. Oktober 2018 steht das Wien Museum – dessen ursprünglicher Entwurf Otto Wagners für das eigentliche Wiener Stadtmuseum nie realisiert wurde – ganz im Zeichen der Architektur von Otto Wagner. Als einer der bedeutendsten Architekten vom 19. ins 20. Jahrhundert gelten seine Bauten heute noch als Meilensteine des Wandels vom Historismus in die Moderne. War er doch der Pionier einer Baukunst, welche erstmals auf Funktion, Konstruktion und Material setzte als Ausdruck des modernen Lebens. Von den Behütern der traditionellen Bauweise angefeindet blieben leider viele der Wagner Projekte unausgeführt, so auch der bereits erwähnte Entwurf fürs Stadtmuseum am Karlsplatz.
In dieser umfassenden Großausstellung zeigt das Wien Museum nicht nur Wagners Leben und Werk in Form kostbarer Zeichnungen, Gemälde, Möbel, Modelle sowie persönlicher Gegenstände, sondern auch die unausgeführten Projekte für den Wiener Kaiserhof. Die beiden Highlights sind aber auf alle Fälle die Wiener Postsparkasse im ersten Bezirk sowie die Kirche am Steinhof.
Tagtäglich gehen oder fahren wir sehr wahrscheinlich an einem Otto Wagner Bauwerk vorbei, ohne dass es uns bewußt wird. Daher zeigt diese Ausstellung auf herrliche Art und Weise die Vielfalt dieses „Weltstadtarchitekten“ und öffnet auch der Wienerin oder dem Wiener so manches überraschtes Auge. Seit dieser Ausstellung spaziere ich wieder viel bewußter durch die Stadt auf der Suche nach dem so typischen Otto Wagner Stil.
Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien
7.) Leopold Museum: Egon Schiele. Die Jubiläumsschau
Für alle Schiele-Fans widmet das Leopold Museum in der weltweit bedeutendsten Sammlung dem herausragendsten österreichischen Expressionisten eine Sonderausstellung zum 100. Todestag. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Skizzen, private Briefe und Fotografien spannen einen interessanten Bogen über sein künstlerisches Schaffen. Dabei ist die Präsentation nicht chronologisch aufgebaut, sondern orientiert sich an zentralen Themen Egon Schieles wie sein Selbst, Mutter und Kind, Spiritualität, Frauen, Landschaften, Städte und Porträts.
Im Zentrum der Ausstellung zum „enfant terrible“ stehen sein ambivalentes Verhältnis zur Mutter, seine obsessive Verbindung zu Buben und Mädchen sowie Sexualität, Erotik und Sinnlichkeit in seinen Akten. Da diese Sammlung so umfassend ist, würde ich euch auf alle Fälle eine Kuratorenführung empfehlen! Noch zu besuchen bis 4. November 2018.
Besonders tragisch und beeindruckend: Schieles Plakat zur 49. Secessions-Ausstellung im Jahr 1918, in welcher Schiele selbst mit 19 Gemälden und 30 Zeichnungen vertreten war. Im erwähnten Plakat der Ausstellung – heute bekannt als Art letztes Abendmahl – sitzt er mit Freunden (unter anderem Otto Wagner) beim Essen. Der für Klimt reservierte Stuhl blieb leer. Er war bereits im Winter des Jahres 1918 verstorben. Wenig später stirbt auch überraschend Schiele selbst an den Folgen der Spanischen Grippe. Nur 3 Tage nach dem Tod seiner hochschwangeren Frau. Er hatte einst von sich selbst gesagt: „Der Krieg ist vorbei und ich muß gehen.“
Leopold Museum, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Solltet ihr Lust auf weitere Ausstellungen rund ums Themenjahr bekommen haben, findet ihr unter 100 Jahre Wiener Moderne (No.2) zusätzliche Kunst- und Kulturtipps zu Sonderausstellungen von mir in Wien!
3 Kommentare zu „100 Jahre Wiener Moderne (No.1)“