
So viel „Glanz & Glamour“ hat das Wiener MAK in seinen Ausstellungsräumen selten gesehen! Spielt es in seiner Jubiläumsausstellung doch bewußt mit den Reizen des Lobmeyr-Glases zwischen Licht und Schatten. Dabei stellt das Museum Tradition, Innovation und unglaubliche Leidenschaft fürs Handwerk dieses einzigartigen Wiener Familienunternehmens, einst k & k Hoflieferant, in ein neues Licht. Wobei bei allen ausgestellten Designs die Vergangenheit die Gegenwart und die Gegenwart die Zukunft inspiriert. Eine faszinierende Präsentation von traditionellen wie zeitgemäßen Lobmeyr Schätzen: vom Trinkglas bis hin zum funkelnden Luster. Liebevoll Schritt für Schritt in der Werkstatt im 3. Bezirk per Hand gefertigt. Nach meinem Erstbesuch der beeindruckenden Manufaktur in 2019, traf ich anläßlich des 200-Jahr-Jubiläums abermals Johannes Rath, einen der drei Geschäftsführer, zum Interview: für spannende Einblicke in die neue MAK Ausstellung, die nagelneue, ums Dreifache vergrößerte Glasmanufaktur sowie die Geschehnisse rund ums Jubiläumsjahr.
Ich wäre zwar eingeladen gewesen, aber leider hatte ich aufgrund eines Auslandsaufenthaltes sowohl das Jubiläumsfest als auch die offizielle Eröffnung der MAK Ausstellung zu „200 Jahre Lobmeyr“ versäumt. Daher war mein erster Weg nach der Rückkehr nach Wien in die heiligen Hallen des MAKs, um beim Spiel zwischen Licht und Schatten, all‘ dem Funkeln und Glitzern das unglaublich umfangreiche Lobmeyr Produktsortiment, seine traditionelle Handwerkskunst sowie einige geschichtliche Dokumentationen zu entdecken. Gefolgt von einer persönlichen Führung von Johannes Rath durch Luster- und Glasmanufaktur, inklusive der neuen Räumlichkeiten, welche ich euch in Form einiger Schnappschüsse mitgebracht habe. Dabei hat er mir im persönlichen Gespräch so manche neue Hintergrundgeschichte erzählt, die ich noch nicht kannte.
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Persönliches Interview mit Johannes Rath:
Viennissima Lifestyle – Ich kann mir vorstellen, dass dank der starken Presseberichterstattung der letzten Wochen schon „alles“ zu „200 Jahre Lobmeyr“ erzählt und geschrieben wurde!?
Johannes Rath – Zum einen ja, zum anderen entstehen jeden Tag neue Geschichten.
Viennissima Lifestyle – Ich frage immer gerne nach dem, was noch nicht erzählt wurde. Ich kann mich erinnern, gerade in Bezug auf den Titel der aktuellen MAK Ausstellung, dass die Firmengeschichte nicht immer nur aus Glanz und Glamour bestanden hat – auch finanziell – und zudem das Unternehmen Lobmeyr sich selbst nicht gerne im Rampenlicht sieht. Ist dieses Jubiläumsjahr nun eine Ausnahme?
Johannes Rath – Wir sind gerade in diesem Jahr über unseren eigenen Schatten gesprungen, denn ein Jubiläum und die dazu gehörigen Feierlichkeiten gehören einfach dazu. Da darf man auch nicht jeden Cent umdrehen. Hier geht der Anlass vor. Der Umbau sowie die Übersiedelung der Glaswerkstätte, welche nun verdreifacht wurde, hat genauso Geld geschluckt wie die neue Website, die Renovierung der Geschäfte Kärntner Straße sowie Salesianergasse.
Viennissima Lifestyle – Bedeutet ein kleines Familienunternehmen nicht auch „limitiertes Wachstum“?
Johannes Rath – Das „limitierte Wachstum“ als Familienbetrieb ist genau das, was uns dazu macht, was wir sind. Ein Betrieb, wo die Unternehmerfamilie Durchgriff bis in die letzte Ebene hat und über alle Prozesse drüber ihren persönlichen Charakter dem Unternehmen, den Arbeitsweisen und in letzter Instanz den Produkten gibt. Weil wir uns bewußt dagegen entschieden haben, zu wachsen wie ein Konzern. Denn irgendwann ist man dann zu weit weg vom Tagesgeschehen und verliert den Spaß an der Arbeit. Man möchte sich nicht nur mit Zahlen beschäftigen, sondern am Kunden arbeiten, mit den Handwerkern gemeinsam neue Produktideen entwickeln. Den Überblick bewahren und in der Stimmung des Ganzen bleiben. Das befruchtet auch die Werkstätte mit einer ganz besonderen Atmosphäre.
Viennissima Lifestyle – Wenn man sagt, es war nicht alles „Glanz und Glamour“, was waren so die Schattenzeiten in der Geschichte?
Johannes Rath: Der heute so erfolgreiche MET Luster war jahrelang ein Ladenhüter und hat erst Anfang der 2000er Jahre begonnen, anzuziehen und ist schließlich dank einer Kooperation mit einem amerikanischen Möbelhändler explodiert. Gerade in New York hat der Luster eingeschlagen wie eine Bombe. Denn dort war er vorher schon aufgrund seiner Präsenz in der Metropolitan Opera das „heimliche Wahrzeichen von New York“. Der Luster und die Oper sind heute so unzertrennlich miteinander verbunden, dass ihn jeder auf der Straße quasi kennt.
Viennissima Lifestyle – Fällt dir eine andere Herausforderung in der jüngeren Firmengeschichte ein, welche sich letztlich doch zu etwas Positivem verwandelt hat?
Johannes Rath – Die 90iger bis in die 2000er Jahre waren eigentlich eine sehr dunkle Zeit, weil die Architektur mit technischen Fortschritten wie indirekte Beleuchtung, LED Flutlicht und Streifenlicht den Luster als – überspitzt ausgesprochen – „raumdominierendes Möbel in der Raummitte“ total verteufelt hat. Jeder Architekt hat sich Mühe gegeben, hohe Räume mit viel Luft, aber nichts drinnen umzusetzen. Den Menschen hat jedoch etwas gefehlt, weil in unserer Sozialisierung, in unseren Gewohnheiten beim Wohnen ein in der Mitte des Raumes hängendes Möbel stets gelebt wurde. Wenn auch ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Man denke nur an den Film „True Lies“ mit Arnold Schwarzenegger und Jamie Lee Curtis, wo beim Bösewicht zu Hause auf seinem Anwesen die Szene im Ballsaal mit einer Totalen auf den Luster beginnt, weil über alle Kulturkreise hinweg der zentral hängende Luster zu einem Symbol geworden ist.
Viennissima Lifestyle – Was war euch folglich als Familienunternehmen bei der aktuellen MAK Inszenierung wichtig?
Johannes Rath – Bei der angesprochenen Ausstellung ist es uns darum gegangen, nicht für uns ein Denkmal zu setzen, sondern vom MAK die Fremdreflexion zu bekommen. Daher haben wir uns aus allen kreativ-kuratorischen Entscheidungen komplett herausgehalten, wenn auch das Team mit Arbeitsleistung und einigen Exponaten unterstützt. Zur Fremdwahrnehmung gehörte auch der Titel, der nicht allen in der Familie gefällt. Ich selbst bin mit dem sehr plakativen Titel nicht unglücklich, denn es kommt wenigstens nicht das Wort Luxus vor.
Viennissima Lifestyle – Die für mich überraschenden Elemente der Ausstellung sind, dass die meisten Produkte, besonders die Gläser und Karaffen, frei zugänglich, also nicht in Vitrinen versteckt, ausgestellt werden und dass die Präsentation nicht als Retrospektive, sondern in Form von Parallelwelten gezeigt wird.
Johannes Rath – Wir waren schon im Vorfeld überzeugt, dass die von Lillie Hollein ausgewählte Kuratorin Alice Stori Liechtenstein – eine Freundin unseres Hauses, mit welcher wir schon des öfteren zusammengearbeitet haben – unsere Philosophie gut treffen wird. In beiden Aspekten – wie du es gesagt hast – hat sie es genau so umgesetzt, wie wir es uns gewünscht hätten. Hätten wir uns etwas wünschen können. Diese Zeitlosigkeit aufzubrechen, ohne dem Zeitstrahl zu folgen, ist für uns enorm wichtig, da sich auch unsere Produkte aus ihrer jeweiligen Zeitepoche heraus entwickelt haben. Aber keinen Zeitstempel tragen. Sie haben vielleicht ihre Zeit geprägt, waren dieser ein wenig voraus, lassen sich aber nicht durch ihre Zeit definieren, sondern haben in allen Zeiten ihre Gültigkeit.
Viennissima Lifestyle – Was mir noch aufgefallen ist, ist der schöne Gleichklang zwischen der Lobmeyr Glasware wie auch den Leuchten. So sehr die Glasmanufaktur in eurer Geschichte bedeutend war, für mich war Lobmeyr immer die „Lusterwelt“. Im MAK wird jedoch ein sehr schönes Gleichgewicht und ein toller Überblick über das gesamte, vielseitige Sortiment gezeigt.
Johannes Rath – Sie decken sehr viele Aspekte, die uns wichtig sind, in der Szenographie und Gestaltung der Ausstellung ab. Wie du vorher erwähnt hast, dass die Gläser nicht in Vitrinen gezeigt werden, so wollten wir immer Produkte herstellen, die den Alltag unserer KundInnen bereichern und keine Bürde darstellen: schöne Lösungen für alltägliche Situationen. Auch wenn heutzutage das Service für 24 Personen mit Sherryglas, Rotwein-, oder Weißweinglas nicht mehr zeitgemäß ist. Aber die zwei Sektgläser für das gemütliche Anstoßen oder das eine Whiskyglas für meinen 40 Jahre alten Whisky, respektive das Champagnerglas, mit dem ich mit meiner Partnerin am Abend anstoße: für diese Momente wollen wir da sein, damit unsere KundInnen diese förmlich zelebrieren. Lobmeyr Gläser sollten nicht in der Vitrine stehen, sondern sich täglich entfalten. Es geht letztendlich um alle Sinne: das Sehen, das Riechen, das Fühlen, den Trinkgenuss. Dabei spielt auch die Haptik des Glases eine große Rolle.

Viennissima Lifestyle – Was ich mich aus 2019 auch erinnern kann, ist, dass du damals gemeint hast „Der Prophet im eigenen Land zählt nicht“. Ist das heute immer noch so? Speziell rund ums Jubiläumsjahr? Immerhin wart ihr bei der allerersten Ausgabe von „Homo Faber“ in Venedig die einzige Manufaktur Österreichs, welche eingeladen wurde, daran teilzunehmen.
Johannes Rath – Nein, ich denke, da haben wir in den letzten Jahren einiges aufgeholt. Und zwar in beiden Aspekten. Damals ging es mir nicht nur um den Bekanntheitsgrad als solches, sondern auch um unser Image, den Beigeschmack, die Wertschätzung. Unseren Anspruch an eine zeitlose Moderne hat man uns – je weiter weg man von Österreich war – eher abgenommen. In New York waren wir einer DER Avantgardebetriebe überhaupt, während wir in Wien immer noch das Geschäft in der Kärntner Straße waren. Das hat sich hauptsächlich durch die Arbeit von Leonid in Kooperation mit internationalen Designern und Andreas am Standort enorm verändert. Natürlich unterstützt dieses eine Jubiläumsjahr „200 Jahre“ auch die Aufmerksamkeit bei Medien und Endkonsumenten.
Viennissima Lifestyle – Die Idee zur MAK Ausstellung kam diese vom Museum selbst?
Johannes Rath – Wir hatten einmal sachte angefragt, ob das MAK Pläne hat und als wir schon gar nicht mehr damit gerechnet hatten, kam die Information „Ihr bekommt die große Ausstellungshalle“.
Viennissima Lifestyle – Ich finde es sehr schade, dass die Ausstellung nur bis September läuft, sie könnte sechs Monate dauern.
Johannes Rath – Dafür gibt es ja uns! Es wird im MAK kaum etwas ausgestellt, was wir nicht selber auch zeigen könnten. Natürlich sind einige Exponate in der Ausstellung, welche aus den Beständen des Museums sind. Das sind dann die antiken Einzel- und aufwendigen Meisterstücke, welche unter der Vitrine zu sehen sind. Aber gerade, was die Luster betrifft und den Großteil der Glasgegenstände kann alles bei uns in der Kärntner Straße respektive in der Salesianergasse bewundert werden. Im 1. Bezirk wird zurzeit unser eigentliches Glasmuseum renoviert, welches im Sommer mit unserer antiken Sammlung bestückt und wiedereröffnet wird, um zu glitzern.“
Viennissima Lifestyle – Apropos „Glitz & Glamour“ – Ihr habt in jüngster Zeit einige Prestigeaufträge bekommen, wie etwa für Tiffany und Chanel. Was darfst du dazu schon verraten?
Johannes Rath – Solche größeren Aufträge entstehen meistens aus dem persönlichen Kontakt und dem Engagement der agierenden Personen von uns drei Geschäftsführern, diese sind nicht unbedingt bestimmten Trends verschuldet. Bezüglich des derzeitigen Erfolges – wir dürfen etwa weltweit alle Tiffany Boutiquen mit den Metropolitan Lustern ausstatten – hat uns Corona schon ein wenig geholfen, da die Konsumenten mehr Geld dafür hatten, es sich zu Hause schöner zu machen. Bedingt durch diverse Lockdowns hat das eigene Zuhause einen anderen Stellenwert bekommen. Zuvor war man auf Bälle gegangen, in Restaurants gesessen, auf Urlaub gefahren. Letzteres übrigens unser größter Mitbewerber. Das hatte mein Vater schon vor 50 Jahren gesagt und hat sich bis heute nicht verändert. Wir haben daher im 1. Corona-Jahr sehr schnell von der Kurzarbeit wieder auf Vollzeit umgestellt, um die Aufträge termingerecht abarbeiten zu können. Wir sind also letztendlich gestärkt aus der Krise hervorgekommen.
Viennissima Lifestyle – Was hat das Jubiläum mit euch drei Geschäftsführern gemacht?
Johannes Rath – Ich würde jetzt nicht sagen, dass das Jubiläum als Einmal- oder Kurzerlebnis – trotz der vielen Vorbereitungen – große Spuren in uns hinterlassen hat, da wir schon unsere ganze Karriere hindurch auf diesen Zeitraum hingearbeitet haben und – trotz der zeitlich unterschiedlichen Einstiege ins Unternehmen – bereits das 175-Jahr-Jubiläum gemeinsam realisiert hatten. Wir sind deswegen nicht abgehoben geworden.
Viennissima Lifestyle – Gibt es irgendetwas, worauf ihr in diesem Jahr besonders stolz seid? Vor allem dank des großen Zuspruchs und der Wertschätzung, die ihr gerade widerfährt? Die österreichische Post hat sogar eine Sondermarke lanciert.
Johannes Rath – Es tut schon gut, wenn man in diesem Ausmaß überall gelobt, erwähnt oder verlinkt wird. Man spürt einfach, dass das, was man ein Leben lang gemacht hat, doch einen gewissen Widerhall aus der Gesellschaft bringt. Aber das wirklich schönste Ereignis war unsere interne Mitarbeiterfeier am Stichtag, dem 1. Februar, wo 200 Jahre zuvor die allererste Eintragung ins Firmenbuch erfolgt war. Da hatten wir für alle MitarbeiterInnen in der Kärntner Straße ein festliches Abendessen veranstaltet und das hat unser Jubiläumsjahr emotional erst so richtig eingeläutet und etwas den Stress und auch die Angst vor diesem Jahr weggenommen. Es ist im Endeffekt ja nur eine Zahl (lacht).
Viennissima Lifestyle – Vielen lieben Dank für dieses inspirierende Gespräch!
J & L Lobmeyr, Kärntner Straße 26, 1010 Wien
MAK, Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien