Wenn Denkmäler in Wien musikalisch erklingen

Wien

Aktualisiert per Anfang April 2021

Im Wiener Prater blüh’n wieder die Bäume und trotz derzeit geschlossener Konzertsäle, Opernhäuser und Musicalbühnen bleibt Wien die Welthauptstadt der Musik. Denn in kaum einer anderen Stadt ist es so einfach, bei einem frühlingshaften Spaziergang durch die wunderschönen Parks und fast schon imperialen Boulevards der Innenstadt den großen Meistern zu begegnen sowie ihrer klassischen Musik zu lauschen. Ich jogge regelmäßig morgens an ihnen vorbei, Ina von Lila Tilla Tours integriert sie gerne in ihre individuellen Stadtführungen. Daraus haben wir gemeinsam die Idee eines musikalischen Spaziergangs zu Wiens schönsten Parkanlagen und Plätzen kreiert und lassen die Denkmäler für euch erklingen. So könnt ihr in Träumen an die Zeit „danach“ schwelgen, wenn unsere gefeierten Konzertsäle und Musikhäuser wieder öffnen dürfen und dank Inas Playlist einzigartige klassische Musik genießen. Hört ihr schon des Walzers Klang?

Seit sieben Jahren wohne ich nun gleich bei der Wiener Karlskirche und begegne diesen großen Meistern der klassischen Musik normalerweise bei meinen morgendlichen Joggingrunden. Schon immer habe ich mir gedacht, eigentlich müßte man daraus einen Art Themen-Spaziergang machen. Nun, da uns die Konzerte, Opern und Operetten besonders fehlen, verführen Ina und ich euch zu einem ganz besonderen Spaziergang zu den Klängen berühmter klassischer Werke. Hierfür hat Ina in einem Gastautorenbeitrag nicht nur 13 geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten, sondern gleich eine musikalisch perfekt passende Playlist für euch erstellt. Also Smartphone nicht vergessen, bequeme Schuhe, Sonnenbrille und jede Menge guter Laune!

Gastautorentipps von Ina Hauer / Lila Tilla Tours

1.) Wir starten unseren Spaziergang im Burggarten, dem ehemaligen Privatpark der Habsburger. Im Schatten der Residenz, der Hofburg, steht heute das weiß glänzende Denkmal für Wolfgang Amadeus Mozart. Etwas schwelgerisch, ja vielleicht sogar kitschig wurde das Musikgenie von Viktor Tilgner dargestellt. Man erkennt in ihm gar nicht den „Revoluzzer“, welcher sich beispielsweise in seiner Oper „Die Hochzeit des Figaro“ über die Hofgesellschaft durchaus kritisch amüsierte. Dies konnte er sich nur erlauben, weil Kaiser Joseph II seine schützende Hand über ihn hielt und wohl den Adeligen ebenfalls einen Spiegel vorhalten wollte. Die Oper wurde übrigens im alten Hofburgtheater uraufgeführt.

Musiktipp: W.A. Mozart: „Le nozze di Figaro/ Wiener Staatsoper

2.) Wir spazieren weiter zur Staatsoper, wo heute wohl das Herz der klassischen, szenischen Musik schlägt. Als erstes öffentliches Gebäude wurde die damalige Hofoper 1869 in der Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I und Kaiserin Elisabeth mit der Mozart-Oper „Don Juan“ eröffnet. Was ihr kennt diese Oper nicht? Klingt euch „Don Giovanni“ vertrauter? – Nun das haben wir einem bedeutenden Operndirektor zu verdanken: Herbert von Karajan führte die heute noch geübte Praxis ein, Opern in der Originalsprache zu singen.

Musiktipp: W.A. Mozart: „Don Giovanni“ / Wiener Staatsoper

Copyrights © Viennissima

3.) Gleich hinter der Oper befindet sich das Palais Lobkowitz. Es zählt zu den ältesten barocken Palastbauten Wiens, wurde unmittelbar nach der 2. Türkenbelagerung errichtet und beherbergt heute das Österreichische Theatermuseum. Im Piano Nobile findet ihr den prunkvoll mit Fresken ausgestatteten Festsaal, besser bekannt als Eroica Saal. Franz Joseph Maximilian Fürst Lobkowitz zählte zu den bedeutendsten Förderern von Ludwig van Beethoven, der oft in diesem Palais musizierte. 1804 komponierte er seine ursprünglich mit „Bonaparte“ titulierte 3. Symphonie. Nach der Selbstkrönung Napoleon zum Kaiser der Franzosen war der freiheitsliebende Beethoven von seinem Idol so enttäuscht, dass er die „Eroica“ seinem Gönner Fürst Lobkowitz widmete. 1807 erfolgte in diesem Palais sodann die Erstaufführung von Beethovens 4. Symphonie. 

Musiktipp: Ludwig van Beethoven: Symphony No. 3, Op. 55 

4.) Wir kehren zur Staatsoper zurück und schlendern an ihrer linken Seite (Kärntner Straße) Richtung Ringstraße vorbei. Hier fällt unser Blick auf ein modernes, rund 2 Tonnen schweres Gebilde aus silbrig glänzendem Aluminium: das Denkmal für Alban Berg. Das 2016 enthüllte Monument ehrt die Komponisten der Wiener Schule und ihren Mentor: Arnold Schönberg, Alban Berg, Anton Webern sowie den Komponisten und Hofoperndirektor Gustav Mahler. Es handelt sich hierbei um „gefrorene Musikeine abstrakte Variation über vier Notenbilder der drei Komponisten“, wobei die raumgreifenden Schleifen auf die expressiven Linien der Musik reagieren und die zwölf Stufen des Sockels auf die Zwölftonmusik Bezug nehmen. Wer gerne von euch fotografiert, findet hier einen reizvollen Durchblick zum Stephansdom, wo einst Joseph Haydn Chorknabe war und Wolfgang Amadeus Mozart seine Constanze heiratete.

Musiktipp: Alban Berg:Wozzeck“ (Trailer)

5.) Er gilt als einer der schönsten Konzertsäle der Welt mit der besten Akustik: der „Goldene Saal“ im Wiener Musikvereinsgebäude. Hier sind die Wiener Philharmoniker zu Hause und begrüßen mit beschwingten Walzermelodien das neue Jahr mit einem der populärsten Konzerte weltweit. Aber wusstet ihr, dass Johann Strauss den Eröffnungsball 1870 dirigierte und dafür seinen Walzer „Freuet Euch des Lebens“ komponierte, dem er der Gesellschaft der Musikfreunde widmete?

Musiktipp: Freuet euch des Lebens, Walzer, Op. 340 · Georges Prêtre / Wiener Philharmoniker 

6.) Wien war und ist die „Welthauptstadt“ der Musik und zog große Talente magisch an, weil sie hier Förderer zu finden hofften. Viele von ihnen machten schließlich in Wien Karriere. Gleich gegenüber des Musikvereins am Karlsplatz treffen wir auf so einen „Zuagrast’n“: Johannes Brahms wurde in Hamburg geboren und avancierte in Wien zu einem international gefeierten Star. Er wurde schon zu Lebzeiten als der „legitime Nachfolger Beethovens“ bezeichnet. 1873 berief man ihn zum Artistischen Direktor der Gesellschaft der Musikfreunde. Er wohnte (und starb) in der Karlsgasse, er hatte es also nicht weit zur Arbeit.

Musiktipp: Wiener Philharmoniker, Konzert für Österreich 2010 – Brahms Walzer Nr. 19-21

Denkmäler_Karlskirche

7.) Lange vor Brahms zog es Antonio Vivaldi aus Venedig nach Wien. Seine Musik war in Italien schon aus der Mode gekommen und er hoffte am Kaiserhof einen Förderer zu finden. Aber bevor er eine Audienz bei Kaiser Karl VI, dem Vater Maria Theresias, gewährt bekam, verstarb der einstmals bekannteste Komponist Europas verarmt und einsam. Er wurde in einem einfachen Grab am Spitaller Gottsacker vor den Toren der Stadt beigesetzt. Heute erhebt sich hier die (alte) Technische Universität und eine Tafel erinnert an die verlorene Grabstelle.

Musiktipp: Orchester 1756: Antonio Vivaldi, Sommer, Karlskirche Wien

Copyrights © Viennissima

8.) Wenn wir noch ein Stückchen weitergehen, treffen wir im Schatten der barocken Karlskirche auf einen großen Reformator der Oper: Christoph Willibald Gluck. Der in der Oberpfalz Geborene gehört in die Reihe der „Zuagrasten“, welche in Wien Karriere machten. Sein herausragendstes Werk, die Oper „Orfeo ed Euridice“ wurde am 5. Oktober 1762 im (alten) Burgtheater uraufgeführt und gilt als die Überwindung der barocken Opera seria mit ihren virtuosen, aber unnatürlichen Koloraturarien und verworrenen Handlungen. Er setzte auf einen natürlicheren Gesangsstil, einfache Liedformen und Chöre. Damit war er der Wegbereiter zur modernen Handlungsoper und Bühnenmusik à la Mozart, Beethoven und Wagner. Gluck reüssierte nicht nur in Wien, sondern auch in Italien und Paris. Er gilt noch heute als der erste international anerkannte Starkomponist.

Musiktipp: Christoph W. Gluck: „Orfeo ed Euridice

9.) Unser nächstes Ziel ist ein weiterer geschichtsträchtiger „Musentempel“: das Wiener Konzerthaus. Der elegante Jugendstilbau wurde 1913 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet. Beim anschließenden Festkonzert intonierte das Orchester des Wiener Konzertvereins (die heutigen Wiener Symphoniker) das von Richard Strauss komponierte „Festliche Präludium op. 61“ und Beethovens 9. Sinfonie. Somit war von Beginn an die Ausrichtung des Hauses klar: ein Nebeneinander von Tradition und Moderne wie es heute noch gepflegt wird. Auf der Fassade finden wir die Inschrift „Ehret Eure deutschen Meister. Dann bannt ihr gute Geister.“

Denkmäler_Ludwig van Beethoven-7

Den wohl größten der „deutschen Meister“ ehrt man auf dem gegenüberliegenden Platz gleich doppelt: Ludwig van Beethovens Denkmal von Caspar von Zumbusch blickt würdevoll und wohlwollend auf uns herab und wir kennen es schon länger. Neu ist anläßlich des Jubiläumsjahres hingegen eine bunt bemalte Bronzeskulptur des deutschen Bildhauers Markus Lüpertz in Form des erhabenen Titans und Beethovens Haupt im Vordergrund. Dieses zeitgenössische Kunstwerk stellt unsere traditionelle Sehgewohnheit etwas auf die Probe: einzig die wilde Haarpracht erinnert auf den zweiten Blick an den umjubelten Komponisten. 2020 wurde sein 250. Geburtstag gefeiert, nur schade, dass so manche musikalische Party Corona-bedingt ausfallen musste. Dass ein Live-Konzertbesuch durch nichts zu ersetzen ist, zeigt sich übrigens an Beethovens Neunter sehr gut. Die Spieldauer kann nämlich zwischen einer guten Stunde (René Leibowitz) und fast eineinhalb Stunden (Leonhard Bernstein) variieren.

Musiktipp: Solist der Wiener Sängerknaben singtFreude schöner Götterfunke / Fest der Freude Wien 2018

Denkmäler_Johann Strauss-4

10.) Wir spazieren weiter zum Stadtpark, der von der Wien zweigeteilt wird. Durch ein prächtiges Jugendstilportal tritt der meist unterirdisch fließende Fluss hier ans Freie. Der Stadtpark erstreckt sich im Bereich des ehemaligen Wasserglacis, einem Naherholungsgebiet vor den Toren des alten Wien. Hier schnappte man schon im 19. Jahrhundert Luft und amüsierte sich beispielsweise im Kursalon Hübner, wo unter anderem Johann Strauss zum Tanz aufspielte.

Er war ein echter Popstar seiner Zeit, also nur gerecht, dass man ihm ganz in der Nähe ein goldenes Denkmal setzte. Wenn er so die Geige streicht und rundherum die Frauenfiguren im Sog der Melodie sich wiegen, hört man schon die vertrauten Klänge der inoffiziellen österreichischen Hymne… Kein Wunder also, dass es in einer Strauss-Biografie heißt: „Wer die Donau kennt, weiß dass sie mal schildgrün, mal silbern schimmert, aber blau ist sie erst seit Johann Strauß.“ Als Hörbeispiel habe ich die ursprüngliche, gesungene Fassung aus dem Jahr 1867 ausgewählt – klingt ungewöhnlich, aber der wohlvertraute Konzertwalzer kam erst später und war anfangs gar nicht erfolgreich.

Musiktipp: Wiener Männergesang-Verein:An der schönen, blauen Donau(Donauwalzer)

Denkmäler_Hübners Salon

11.) Wir haben uns jetzt auf Strauss den Walzerkönig fokussiert, aber nicht über ihn als Meister der Goldenen Operettenära gesprochen. Die leichte Muse küsst uns, wenn wir einige Schritte zu einem anderen Denkmal gehen: der wohl prominenteste Vertreter der Silbernen Operettenära war Franz Lehár. 1905 dirigiert er selbst die Uraufführung der „Lustigen Witwe“ im Theater an der Wien. Ein wahrer Welterfolg! Bis zu seinem Tod 1948 wird das Stück rund um eine selbstbewusste Frau, die sich in der Männerwelt mit Charme behauptet, mehr als 300.000 Mal aufgeführt und mehrmals verfilmt. Unsterbliche Melodien wie „Da geh’ ich zu Maxim“ oder „Lippen schweigen“ lassen vergessen, dass es sich um Adolf Hitlers Lieblingsoperette handelte und die jüdischen Librettisten Victor Léon und Leo Stein damals ungenannt blieben.

Musiktipp: Franz Lehár: Die lustige Witwe / Volksoper Wien

12.) Sein Volksschullehrer hielt in für den „schlechtesten Schüler der ganzen Steiermark“, die Matura schaffte er nicht, aber trotzdem wurde er viele Jahre später zum Professor. Auch das ist typisch österreichisch! Wir stehen vorm Denkmal von Robert Stolz, welcher als letzter Meister der Wiener Operette gilt und seine Melodien immer noch zeitlos wahre Evergreens und „Ohrwürmer“ sind: wie etwa „Im Prater blüh’n wieder die Bäume“, „Die ganze Welt ist himmelblau“, „Mein Liebeslied muß ein Walzer sein“, oder „Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“. Er lehnte den Nationalsozialismus ab und emigrierte in die USA, wo er sich rasch als Komponist für Filmmusik etablierte. Er war sogar für den Oscar nominiert – für die Filmmusik von „Es geschah morgen“ (1944) und mit „Waltzing in the Clouds“ in der Kategorie „Bester Song“. 1946 kehrte er nach Wien zurück und komponierte unter anderem für die legendäre Wiener Eisrevue, aber auch für den Song Contest.

Musiktipp: Robert Stolz „Im Prater blüh’n wieder die Bäume

13.) Zum Abschluss unseres Rundgangs wenden wir uns noch dem Liederfürsten Franz Schubert zu. Das historistische, ja heroische Denkmal wirkt gar fremd und der „Franzl“ ist auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen. Warum wohl? Richtig, er trägt keine Brille! Nachdem die Wien in der Nähe plätschert, habe ich als letzte musikalische Kostprobe sein populärstes Lied „Die Forelle“ ausgewählt. Die Musik perlt wie das helle Bächlein dahin und so mancher Zuhörer ist dazu verleitet zu glauben, es handelt sich hier tatsächlich nur um eine Geschichte von Fisch und Fischer. Wohl auch deshalb, weil Schubert nur die ersten drei Strophen des Gedichts von Christian Friedrich Daniel Schubart vertont hat. Liest man auch noch die vierte Strophe, so sieht man den „Fischer mit seiner Rute“ in einem ganz anderen Licht: Die ihr am goldenen Quelle. Der sicheren Jugend weilt. Denkt doch an die Forelle. Seht ihr Gefahr, so eilt! Meist fehlt ihr nur aus Mangel der Klugheit, Mädchen, seht Verführer mit der Angel! Sonst blutet ihr zu spät!

Musiktipp: Schubert: Die Forelle, Op. 32, D. 550, Dietrich Fischer-Dieskau

Übrigens begegnet ihr bei diesem Spaziergang, den ich persönlich auf etwa zwei Stunden schätze, auch weiteren berühmten Persönlichkeiten im Stadtpark. Wenn ihr jetzt Gefallen an diesem musikalischen Spaziergang gefunden habt, so kontaktiert doch Ina unter Lila Tilla Tours einmal persönlich. Wenn sie offiziell wieder durch ihr geliebtes Wien führen darf, freut sie sich bestimmt über euer Interesse! Meine ganz persönlichen Insidertipps sind folgende ihrer Touren:

Musik liegt in der Luft: https://www.lilatillatours.at/wien-liebhaber/musik-liegt-in-der-luft/

Freude schöner Götterfunke: https://www.lilatillatours.at/wien-nach-mass/freude-schoener-goetterfunke/

Copyrights Fotos © Viennissima Lifestyle, Coverbild © Wien Tourismus

4 Kommentare zu „Wenn Denkmäler in Wien musikalisch erklingen

  1. Sehr anregend und gelungen – vielen Dank Euch beiden für diesen erfrischenden musikalischen Spaziergang virtuell und in der Folge auch persönlich! Alles Liebe und weiterhin gute Ideen und Frische, Anton

    1. Wow, was für ein liebes Kompliment – vielen herzlichen Dank 🙂 Ich leite es gerne an Ina weiter. Auch dir weiterhin alles Gute! Birgit

  2. Wir hatten viel Spaß auf der Tour und waren erstaunt über so manche Geschichten. Endlich wieder Kultur in Zeiten von Corona. Danke für die schöne Ablenkung 😀. Liebe Grüße Genia

    1. Liebe Genia, das freut mich total, dass es euch so gut gefallen hat 🙂
      Vielen lieben Dank für dein Feedback und auf bald einmal…
      Würde mich freuen!
      Birgit

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.